Seit dem Jahr 2009 bieten wir Künstler*innen der Sparten Bildende Kunst und Literatur mit den Stipendien im Atelier Galata in Istanbul die besondere Möglichkeit, in einem internationalen künstlerischen Umfeld an ihren Projekten zu arbeiten. Mit neuen Impulsen haben die bisherigen Stipendiat*innen im Anschluss an ihre Zeit in Istanbul die Kölner Kunstszene bereichert. So erhoffen wir uns das erneut von den Kandidat*innen.
Manuel Boden erhielt im Jahr 2023 das Stipendium in der Sparte Bildende Kunst. Von Januar bis März war er in der Metropole am Bosporus. Für das Literaturstipendium fiel die Wahl der Jury auf die Schriftstellerin Roswitha Haring. Sie zog von Juli bis September ins Atelierhaus, wo sie recherchierte, an ihrem Projekt arbeitete und wichtige Kontakte knüpften konnte.
Im Jahr 2024 konnten der Künstler Manuel Boden und die Schriftstellerin Roswitha Haring erneut nach Istanbul reisen und die verbleibende Zeit ihres Atelier-Galata-Stipendiums für ihre kreative Arbeit nutzen.
Manuel Boden

Sein Diplom im Fachbereich Fotografie und Interdisziplinäre Bildkonzepte war Manuel Boden, geboren 1983, nicht genug. Er schloss einen zweiten Diplomstudiengang an der Kunsthochschule für Medien Köln im Fachbereich Mediale Künste an und diesen mit Auszeichnung ab. In Köln gefällt es dem in Düsseldorf wohnenden Künstler mittlerweile so gut, dass seine drei letzten großen Ausstellungen hier stattfanden.
Professorin Dr. Lilian Haberer, Jurymitglied, beschreibt Manuel Bodens künstlerische Praxis als Tätigkeit des Sammelns und Entdeckens, sein absichtsloses Durchstreifen der Stadt als flexible, reflexive, und politische Handlung. Er schärfe den Blick für das Alltägliche, Übersehene, Vergessene und dokumentiere ebenfalls dort vorgefundene Spuren und Paradoxien. Manuel Boden arbeite mit gefundenem Material von konkreten Orten, Überbleibseln und Fundstücken im urbanen Geflecht, die er fotografisch dokumentiere, sammele und in neue Kontexte und Sinnzusammenhänge bringe, etwa als kompiliertes Künstlerbuch und Roman der über einen langen Zeitraum auf der Straße aufgelesenen, verlorenen Buchseiten. Manuel Boden nehme den Gezi-Begriff (türkisch für unterwegs sein, spazieren, flanieren) wörtlich und richte seine Aufmerksamkeit auf das Auf-die-Straße-gehen, Umherstreifen, als Teilhabe mit Aufmerksamkeit für das Widerständige im absichtslosen Aneignen der urbanen Räume. Manuel Boden plane seine Fragmente-Reihe zu erweitern und sich vor Ort intuitiv wie konzeptuell den dort akuten Themen und Fragen Istanbuls zu stellen. Das Umherziehen durch die Stadt und die Frage, wie diese Eindrücke verdichtet werden können, möchte Manuel Boden im Austausch mit lokalen freien Verlagen, Initiativen, Akteur*innen für vor Ort entstehende Buch- und Publikationsprojekte nutzen.
Roswitha Haring

Roswitha Haring wurde 1960 in Leipzig geboren. Auf eine Kleidungsfacharbeiterlehre und Abitur in Görlitz folgte ein Studium der Kulturwissenschaften in Leipzig. Ihr deutschsprachiges Debüt, die Novelle "Ein Bett aus Schnee" aus dem Jahr 2003 wurde mehrfach ausgezeichnet und übersetzt. Neben eigenständigen Erzählungsbänden, wie zuletzt "Stadt Tier Raum" (2013), publiziert sie in Anthologien, Zeitungen, Magazinen, Kunstbänden und schreibt Radiobeiträge.
Über Roswitha Haring schreibt Jurymitglied Professorin Dr. Haberer, dass ihre Prosatexte flüchtige Begegnungen vom Reisen, Unterwegs- und Fremdsein seien und im erzählten Augenblick ihre Intensität entfalteten. Roswitha Harings Erzählungen, die am Alltag und an urbanen Beobachtungen orientiert sind, und das für Istanbul vorgeschlagene Projekt haben die Jury sehr überzeugt. Harings Vorhaben wird den Lebensumständen und Geschichten der in die Türkei eingewanderten post-sowjetischen Minderheiten nachgehen, ihre Schilderungen aus erster Hand hören und auch die aufgesuchten Orte in der eigenen situativen Erzählpraxis verarbeiten. Als Reisende und Besucherin sieht die Autorin die eigene Distanz als notwendigen Filter für ihre Beobachtungen und Interaktionen mit den Menschen und Orten in Istanbul. Harings Sprache erzeugt dabei synästhetisch und taktil erfahrbare Momentaufnahmen von Erlebtem und Erinnertem, die ihre Leser*innen unmittelbar in die erzählten Räume und Orte versetzen.
Den Auswahljurys gehörten an:
- Professorin Dr. Lilian Haberer, Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln, Kunsthochschule für Medien Köln
- Bettina Fischer, Literaturhaus Köln
- Professor Mischa Kuball, Kunsthochschule für Medien Köln
- Dr. Gregor Jansen, ehemaliger Künstlerischer Leiter der Kunsthalle Düsseldorf
- Nadine Müseler, zuständige Referentin im Kulturamt
- Die Stipendiat*innen des Vorjahres: Guy Helminger, Justine Bauer und Semih Korhan Güner