Neue Formen von pluraler Wissensproduktion und Teilhabe durch digitale Vernetzung

Das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) sucht mit seinem neuen digitalen Projekt "Leaky Achive" weiter nach Methoden für eine digitale und analoge Zusammenarbeit, damit die Sammlung von Objekten, Fotografien und Dokumenten des Museums tatsächlich für jede und jeden zugänglich und von weiteren Narrativen ergänzt wird. "Leaky Archive" hat das Ziel, gemeinsam mit Menschen aus dem Globalen Süden die Sammlung zu hinterfragen und auf globaler Ebene zu erschließen, damit tatsächlich plurales Wissen generiert werden kann.
"Leaky Archive" stellt deshalb die RJM-Sammlungsdatenbank ins Zentrum und setzt sich damit auseinander, wie das Wissen darum entstanden ist und welches Wissen ausgeschlossen wurde. Wie kann es also gelingen, diejenigen zu beteiligen und ihr Wissen einzubringen, die bisher nicht oder kaum gehört wurden? Durch digitale Vernetzung entsteht die Möglichkeit, diese Auseinandersetzung direkt mit Denker*innen und Kulturschaffenden aus dem Globalen Süden zu ermöglichen und so eine neue postkoloniale digitale Gemeinschaft rund um die RJM-Sammlung zu fördern.
Die Erstellung von Objektinformationen und von Archiven beinhaltet immer eine Reihe von selektiven Vorgängen wie zum Beispiel die Auswahl derjenigen, die das Wissen produzieren oder die Auswahl der Themen. Dies kann den Ausschluss vielfältigen oder pluralen Wissens bedeuten. Das Projekt Leaky Archive, das von der argentinischen Kuratorin Agustina Andreoletti konzipiert wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, die RJM-Sammlung digital weit zu öffnen oder gewissermaßen zu ‚knacken‘, um diejenigen zu erreichen, die oftmals keinen Zugang dazu haben. Wir wollen gemeinsam ein wirklich plurales Wissen und Erinnern auf globaler Ebene aufbauen und teilen,
so Nanette Snoep, Direktorin des RJM.
Das Projekt erforscht, wie Zugänge zu kolonialen Archiven und Sammlungen konsequent geöffnet und die Arbeit an ihnen mit Hilfe von Digitalität geändert werden kann. Grundlegend für "Leaky Archive" ist die Frage, wie sich die Sammlungen für verschiedene, nicht akademische Formen von Wissen öffnen lassen. Dazu kann Wissen gehören, das nur mündlich überliefert wird, musikalisch oder performativ fixiert ist oder beispielsweise über Objekte selbst transportiert wird. Mit Hilfe einer dezentralen Infrastruktur möchte "Leaky Archive" neue Formen von digitaler Zusammenarbeit entwickeln, die auf vermeintlich widersprüchliche Formen der Wissens- und Erkenntnisgewinnung beruhen. Das RJM möchte mit "Leaky Archive" nicht analoge Ideen in den digitalen Raum übertragen oder Wissen ansammeln. Vielmehr möchte das Haus seine Sammlungen als eine Art Prototyp für alle Objekte, Dokumente und Fotografien aus dem Globalen Süden in anderen Häusern und Institutionen befragen, um die Auswirkungen ihrer Digitalisierung, die Möglichkeiten ihrer Vermittlung und ihre radikale Demokratisierung zu erforschen.
Digitale Fellowships, Online-Rundgänge durch die digitale Sammlung, transdisziplinäre Worksessions und edit-a-thons, eine Veranstaltung, bei der Autor*innen von Online-Plattformen wie Wikipedia Artikel erstellen oder verbessern, und ein Camp* über Programmierung, Theater, Design und Gaming im Museum für Jugendliche sollen die historischen und oft kolonialen Archive und Sammlungen des RJM zu einer multiperspektivisch-mehrstimmigen Plattform verwandeln.
Weitere Informationen:
Im September starten fünf digitale Fellowships aus Kolumbien, Nigeria, Äthiopien, Bangladesch und den Philippinen:
- Juan Cortés & Isabella Campos, Bogotá, Colombia.
- Ifunanya Madufor, Nsukka, Enugu, Nigeria.
- Miriam Hillawi Abraham, Addis Ababa, Ethiopia
- Emdadul Hoque Topu, Dhaka, Bangladesh.
- Beatriz Mariano, Manila, Philippines
Hintergrund:
Die Gründung des Rautenstrauch-Joest-Museum fällt in die Kolonialzeit und ein wichtiger Teil der Sammlung stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Sammlung umfasst etwa 70.000 Alltags- und Ritualobjekte und rund 100.000 historische Fotografien aus Ozeanien, Asien, Afrika und den Amerikas. Ausgehend von diesem historischen Sammlungsbestand werden Auseinandersetzungen zum kolonialen Erbe und die Suche nach neuen kuratorischen Methoden der Zusammenarbeit in den Fokus gerückt und nach neuen Herangehensweisen für die Vermittlung von aktuellen Fragestellungen gesucht.
Konzept und Projektleitung: Agustina Andreoletti
Projektmitarbeit: Paulina Seyfried, Camilo Sandoval
Projektpartner: Die Kunsthochschule für Medien Köln – Forschungsgruppe Netze (KHM), Prof. Luzius A. Bernhard, Sam Hopkins
Grafikdesign: Kristian Henson
"Leaky Archive" wird entwickelt im Rahmen von "dive in. Programm für digitale Interaktionen" der Kulturstiftung des Bundes, gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Programm "NEUSTART KULTUR".
Die Digitalen Fellowships werden gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen im Medienkunstfonds (Medienwerk.NRW) und Stadt Köln.