Das bereits seit einigen Jahren etablierte Stipendium der Stadt Köln im Atelier Galata in Istanbul wird trotz der schwierigen Lage in der Türkei auch im Jahr 2017 wieder vergeben. Wie viele deutsche Kulturinstitute im Ausland, erachten auch wir die Unterstützung der Zivilgesellschaft und Künstlerschaft in politisch schwierigen Situationen als besonders wichtig. Ähnlich sehen es auch die Kunststiftung NRW und zahlreiche Hochschulen aus dem deutschsprachigen Raum, die vor Ort ihre Programme weiterführen. Köln - Istanbul ist eine lang gepflegte Städtepartnerschaft, die uns besonders am Herzen liegt und weitergepflegt wird.
Von den Kölner Künstlerinnen, Künstlern, Autorinnen und Autoren ist der Austausch mit der Türkei immer noch nachgefragt und auch ihnen ist es wichtig, die Kulturszene vor Ort zu stärken.
Die Stipendiatinnen und der Stipendiat 2017
Die Jury wählte die Autorin Katinka Feistl, den Autor Bastian Schneider sowie die Künstlerin Selma Gültoprak für das Stipendienprogramm 2017 im Atelier Galata aus.
Literaturstipendien
Zum Werdegang und der Juryentscheidung für Katinka Feistl schreibt der Vorjahresstipendiat Philip Enders, Mitglied der diesjährigen Jury:

Schon während ihres Germanistik- und Anglistikstudiums befasste sich Katinka Feistl intensiv mit dem Medium Film, bevor sie von 1996 bis 2003 ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin absolvierte. Seither führte sie bei zahlreichen, teils preisgekrönten Filmen Regie, und es entstanden mehrere Drehbücher. Zuletzt wurde sie für ihr Buch "Irmas wildes Herz" mit dem Thomas Strittmatter Preis 2016 ausgezeichnet.
Katinka Feistl ist Mitbegründerin zweier Netzwerke für Frauen im Film, Pro Quote Regie und Golden Feminists. Die Rolle der Frau sowie die Herausforderungen, mit denen sich Mädchen in unserer Gesellschaft konfrontiert sehen, sind denn auch wiederkehrende Motive ihrer Bücher und Filme. Dabei stellte sie ihr Vermögen, sich in die Lebensrealität von Heranwachsenden und jungen Frauen hinein zu fühlen, ihre Ängste und Freuden szenisch zu verdichten, immer wieder unter Beweis, so in Filmen wie "Siehst Du mich?" und "Eigenwillige Miss M.". Auch ihr aktuelles Buchprojekt, "1972 - als wir von Köln nach Istanbul trampten" (AT), mit dem sie sich um das Künstlerstipendium beworben hat, erzählt die Geschichte zweier 15-jähriger Mädchen, die nach Freiheit und Selbstbestimmung streben.
Das Buch will zum einen als historische Schablone dienen, vor der heutige gesellschaftliche Errungenschaften ihre Selbstverständlichkeit verlieren. Zugleich stellt es die Frage, was ein "echtes" Erlebnis ist - als Grundbaustein der Persönlichkeitsentwicklung – und ob es sich jemals wirklich festhalten lässt, wie es der aktuelle Umgang mit Bildern in den Sozialen Medien suggeriert.
"1972 - als wir von Köln nach Istanbul trampten" verspricht ein einfühlsames, humorvolles und nicht zuletzt unterhaltsames Roadmovie zu werden, das von Abenteuer und Selbstfindung erzählt und dabei quer durch Europa führt. Katinka Feistl wird die Reise ihrer Heldinnen mit Auto und Bahn selbst nachempfinden, die Jury möchte sie mit dem Künstlerstipendium dabei unterstützen und ihr die Recherche sowie die Weiterentwicklung des Projekts vor Ort ermöglichen.
Frau Feistl wird in der Zeit von September bis November 2017 nach Istanbul fahren, wobei die Autoreise bereits Teil ihres geplanten Projektes sein wird.
Bastian Schneider wird im Atelier Galata in der Zeit von Juni bis Juli 2017 wohnen und arbeiten. Zur Entscheidung der Jury schreibt Bettina Fischer, Leiterin des Kölner Literaturhauses und Mitglied der Jury:

Bastian Schneider, geboren 1981 in Siegen, hat Psychologie und Europäische Literatur unter anderem in Paris studiert. Dem geisteswissenschaftlichen Studium schloss sich ein Studium der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien an.
Seit 2004 schreibt er und publiziert in Magazinen und Anthologien. Sein Prosadebut legte er im Frühjahr 2016 mit dem Band "Vom Winterschlaf der Vögel" vor, und im selben Jahr wurde er für seine Kurzprosa auch mit dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln ausgezeichnet.
Seine Kunst ist die kleine Prosaform, die mit dem sprachlich genau gefassten Detail überrascht und die Wahrnehmung schärft. Diese "Mikro-Erzählkunst" (wie es in der Begründung zum Brinkmann-Stipendium hieß), die sich in den "Sieben unscharfen Idyllen", "Irgendwo, jemand" ebenso wie in "Mezzanin. Stücke" zeigt, bedarf der höchsten Genauigkeit in der sprachlichen Gewichtung; und diese gelingt Bastian Schneider mit stilistischer Dichte und philosophischer Tiefenschärfe immer wieder erneut.
Bastian Schneider will bei seinem Stipendienaufenthalt in Istanbul auf seinem künstlerischen Verfahren der genauen Alltagsbeobachtung beharren und dies gerade in einer Zeit, da Künstler und andere Menschen, die der Demokratie verpflichtet sind, Repressalien befürchten müssen. Sein Schreiben, das sich in den Zwischenräumen "zwischen Gedicht, Prosaskizze, Essay und literarischer Collage" bewegt, erscheint der Jury als adäquate Form die "Inkommensurabilität" des Alltags in einer erwachenden Diktatur - die sich auch als Solidarität gegenüber türkischen Intellektuellen versteht. Eine Bestandsaufnahme, das Bemühen, "besonders jene zu Wort kommen" zu lassen, "die im allgemeinen Geschrei zu verstummen drohen" scheinen wichtiger denn je. Genauigkeit der sprachlichen Fassung und der gedanklichen Erfassung sind gefragt!
Stipendium für Bildende Kunst
Das Stipendium für Bildende Kunst der Stadt Köln in Istanbul hat die Jury an die Künstlerin Selma Gültoprak vergeben. Diese wird von August bis Dezember 2017 in Istanbul wohnen und arbeiten. Zur Entscheidung der Jury schreibt Dr. Lilian Haberer:

Die Jury erkennt der Künstlerin Selma Gültoprak (geboren 1983) das Atelier Galata-Stipendium im Bereich der Bildenden Kunst für 2017 zu.
Die Objekte und Installationen der in Köln lebenden Künstlerin thematisieren urbane wie auch Landschaftsräume und die damit verbundenen Strukturen, Territorien, Geschichten. Dabei interessiert sie die Frage nach den menschlichen Eingriffen in die Umwelt durch Spekulation, industrielle Fertigung, die zu einer Veränderung von privatem und öffentlichem Raum geführt haben. Neben Naturmaterialien wie Sand, Stein, Wasser und Pflanzen verwendet sie gebrauchte Alltagsgegenstände, die sie oftmals als begehbare und erfahrbare Installation, als Plattform wie auch als Parcours gestaltet, der diese Verschiebung von Grenzen und die Frage nach Künstlichkeit und Natürlichkeit anschaulich werden lässt: So wurden bei der Rauminstallation "platformed" (2014) in der Fuhrwerkswaage Köln gefundene Tischplatten verwendet, die eine parzellierte Fläche um ein einsehbares Bauschuttloch bildeten. Die ortsspezifische Arbeit "Unprepared Garten" (2014) bildete Innen- und Außenräume durch einen Korridor im Umspannwerkgarten der GEW Köln.
Gültoprak, die 2012 ihr Diplom für Mediale Künste an der Kunsthochschule für Medien Köln bei Stefanie Stallschus, Phil Collins und Johannes Wohnseifer abschloss, erhielt neben diversen Preisen, Altelierstipendien im Künstlerdorf Schöppingen, im Kölnischen Kunstverein und in Shanghai die Projektförderung der Kunststiftung NRW 2017.
Für ihren Aufenthalt im Atelier Galata Istanbul entwickelt Selma Gültoprak das Thema Garten mit der Aneignung und Privatisierung von Grünflächen als verbindendes Element von historischen und zeitgenössischen Stadträumentwicklungen am Beispiel des städtischen Gezi-Parks weiter. Dabei dient der Künstlerin die Tulpe als geschichtsträchtige Folie: Aus dem arabischen Raum im 16. Jahrhundert fand das Zwiebelgewächs Eingang in die westlich-höfische Kultur und Kunst, wurde als kostbares Gut des Adels Gegenstand wirtschaftlicher Spekulation und fungiert nun als günstiger Exportartikel der Niederlande. So plant Gültoprak in Anlehnung an das künstlerische wie gesellschaftspolitisch relevante Hamburger Parc Fiction-Projekt ein Tulpenbeet im Camouflagemuster. Es soll in Zusammenarbeit mit einer Kunstinstitution sowie einem Gärtner entstehen. Personen vor Ort werden einbezogen, die für die Dauer der Pflanzung und Blüte die Pflege des Beetes übernehmen.
Wir sagen Danke!
Den Jurymitgliedern für Ihre Unterstützung:
- Bettina Fischer, Literaturhaus Köln
- Dr. Lilian Haberer, Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln
- Dr. Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle Düsseldorf
- Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln
- Philipp Enders, Stipendiat des Jahres 2016
- Marianne Christofides, Stipendiatin des Jahres 2015
- Nadine Müseler, Referentin für Bildende Kunst
Herzlichen Dank auch allen Bewerberinnen und Bewerbern.
Kontakt und weitere Informationen
Wenn Sie Kontakt zu Katinka Feistl, Bastian Schneider oder Selma Gültoprak aufnehmen wollen oder ebenfalls an einem Stipendium in Istanbul interessiert sind, wenden Sie sich bitte an unser Referat für Bildende Kunst.
Alle Informationen zu den Stipendien haben wir für Sie zusammengestellt: