Bereits im zehnten Jahr vergeben wir das "Atelier-Galata-Stipendium" in Istanbul. Wie viele deutsche Kulturinstitute im Ausland, erachten auch wir die Unterstützung der Zivilgesellschaft und Künstlerschaft in politisch schwierigen Situationen als besonders wichtig. Ähnlich sehen es auch die Kunststiftung NRW und zahlreiche Hochschulen aus dem deutschsprachigen Raum, die vor Ort ihre Programme weiterführen. Köln-Istanbul ist eine seit 22 Jahren währende Städtepartnerschaft, die uns besonders am Herzen liegt und weitergepflegt wird.
Die Stipendiatinnen 2019
Die zuständige Jury wählte die Autorin Fahimeh Farsaie und die Künstlerin Roya Noorinezhad für das Stipendienprogramm im zweiten Halbjahr 2019 aus.

Stipendium für Literatur
Zum Werdegang und der Juryentscheidung für Fahimeh Farsaie schreibt die Leiterin des Literaturhauses, Bettina Fischer, Mitglied der diesjährigen Jury:
Die Jury für die Vergabe des Galata-Stipendiums der Stadt Köln hat sich in diesem Jahr für das Projekt "Das Mädchen mit den zwei Gesichtern" (Arbeitstitel) der iranisch-deutschen Schriftstellerin Fahimeh Farsaie entschieden.
Fahimeh Farsaie, die bislang sechs Bücher, zwei Drehbücher und ein Theaterstück in deutscher Sprache veröffentlicht hat, widmet sich in ihrem nächsten Werk Themen, die unsere Gesellschaft gegenwärtig in besonderer Weise beschäftigten: Flucht und Migration. In der Schilderung der Ereignisse rund um die Flüchtlingsfamilie Amri und die Unterstützerin Ulrike, zeichnet Fahimeh Farsaie die bedrückenden Umstände und Verstrickungen nach, denen Menschen sich durch das Schicksal von Vertreibung und Flucht ausgesetzt sehen. In ihrem Romanprojekt trifft die Situation des durch politische Verfolgung erzwungenen iranischen Exils auf die durch den andauernden Bürgerkrieg in Syrien verursachte Flucht. Die Bewegungen der Flucht treffen häufig in der Türkei aufeinander – und Fahimeh Farsaie wird in Istanbul die Hintergründe ihres bereits skizzierten und geplanten Projekts durch eigene Anschauung unterfüttern und die fiktive Erzählung durch die Konfrontation mit der Realität stärken.
Die Jury fand die Motivation der Autorin, das wichtige und zeitgemäße Thema durch eigenen Augenschein und Recherche vor Ort realitätsnah abbilden zu wollen, vollkommen einleuchtend, wie sie auch von der Motivation der Autorin ebenso wie von dem von ihr gewählten Inhalt überzeugt ist.
Der Auswahljury gehörten neben Bettina Fischer auch Dr. Lilian Haberer vom Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln, Katharina Cromme, Stipendiatin des Jahres 2018/2019, sowie Nadine Müseler als zuständige Referentin des Kulturamtes an.
Frau Farsaie ist seit dem 19. Juli 2019 in Istanbul und beendet ihre Zeit dort am 30. September 2019.

Stipendium für Bildende Kunst
Roya Noorinezhad wird im Atelier Galata in der Zeit von Oktober 2019 bis Dezember 2019 wohnen und arbeiten. Zur Entscheidung der Jury schreibt Dr. Lilian Haberer, vom Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln und Mitglied der Jury:
In ihren fotografischen Arbeiten befasst sich die Künstlerin Roya Noorinezhad mit Orten, ihrer Erinnerung und dem mit ihnen verbundenen kollektiven Gedächtnis. Diesen geht sie in ihrer fotografischen Spurensuche, anhand eines Abtastens mit der Kamera der Oberflächen, aber auch ihrer Strukturen, Prozesse und der mit ihnen verbundenen Materialität nach. So hat sie nach ihrem Studium der Fotografie in Teheran und Essen sich einerseits mit urbanen Plätzen und Denkmälern im Vergleich im Iran und in Deutschland befasst und die Umgestaltungsprozesse fragmentarisch und aus subversiven, transversalen Perspektiven heraus in kontrastreichen schwarz-weiß Fotografien dokumentiert, wie in ihrem Projekt für das Rosa Luxemburg-Denkmal in Berlin, das Denkmal am Engelhab-Platz, oder den Sepah-Platz, beide in Teheran. In anderen Serien wie Intercity Train oder Train, thematisiert sie aus der Perspektive des Reisens und des Transits ihre Sicht auf urbane und ländliche Strukturveränderungen. Dabei dient ihr in Farb- sowie Schwarzweiß-Aufnahmen die Fensterstruktur, die lange Zeit als charakteristische, horizontal zweigeteilte Durchsicht des Fernzugs auf die Umgebung galt, als formale und ästhetische Rahmung. Weitere Fotoserien beschäftigen sich mit den abstrakten und strukturellen Patterns von Oberflächen, etwa architektonischen Details (Surface Shape), oder matt abgezogenen Durchsichten durch transluzente Planen auf temporäre Orte (Café). Im Zuge ihrer Auseinandersetzung mit der Geschichte und Erinnerung von Plätzen und Denkmälern, plant Noorinezhad ein interaktives und ortsbezogenes Projekt an den verschiedenen Plätzen in Istanbul. Da sie viele Parallelen zwischen Iran und der Türkei wahrgenommen hat, etwa in den Modernisierungsbestrebungen, dem Demokratieverständnis, dem Umgang mit Reformen, der Religion etc., interessieren sie die europäischen und asiatischen Zugänge in Istanbul, die Noorinezhad anhand ihrer eigenen Geschichte und Situation ebenfalls erfahren hat. Mit dem Fokus auf das kollektive Gedächtnis möchte sie sich in ihrer Recherche auf die Plätze dort konzentrieren und mit fotografischem Archivmaterial, als auch mit Video und Kamera, auch aus subjektiver Perspektive der Menschen dort, die Plätze über die Zeit hinweg zu erkunden und zu dokumentieren. Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen einbezogen werden, indem sie gefragt werden, ihre mit dem jeweiligen Platz verbundenen Perspektiven, Erlebnisse und Narrativen zu notieren – Dokumente, die später Eingang in die Installation finden sollen.
Roya Noorinezhad absolvierte von November 2006 ihren Bachelor in Fotografie an der Teheran University. Von 2018 schloss sie an der Folkwang Universität Essen ihren Master ab und hatte zwischen 2015 und 2017 einige Studienstipendien des DAAD im Bereich Kunst, Design, Film und Visuelle Kommunikation. Noorinezhad war bereits an einer Reihe von Ausstellungen in Teheran, im Ruhrgebiet und im Rheinland beteiligt und hatte 2016 zwei Einzelausstellungen in Lüneburg und Hannover. Aufgrund ihres gleichsam recherchebezogenen, mit Archiven und Menschen vor Ort interagierenden Projekts, ihrer Auseinandersetzung mit Erinnerung und kollektivem Gedächtnis sowie ihrer eigenen, ästhetischen wie gesellschaftlich reflektierenden, fotografischen Sprache, hat sich die Jury für Roya Noorinezhad entschieden.
Die Auswahljury
Wir sagen den Mitgliedern der Auswahljury Danke für ihre Unterstützung:
- Bettina Fischer, Literaturhaus Köln
- Dr. Lilian Haberer, Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln
- Dr. Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle Düsseldorf
- Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln
- Katharina Cromme, Stipendiatin des Jahres 2018/2019
- Viola Yeşiltaç, Stipendiatin des Jahres 2018/2019
- Nadine Müseler, Referentin für Bildende Kunst
Herzlichen Dank auch allen Bewerberinnen und Bewerbern.
Kontakt und weitere Informationen
Wenn Sie Kontakt zu Fahimeh Farsaie oder Roya Noorinezhad aufnehmen wollen, oder ebenfalls an einem Stipendium in Istanbul interessiert sind, wenden Sie sich bitte an unser Referat für Bildende Kunst.
Alle Informationen zu den Stipendien haben wir für Sie zusammengestellt: